ERST WAR ES LEER OHNE HERZ, ABER JETZT GEHT’S WIEDER
von Lucy Kirkwood
Premiere am Theater Koblenz 2018
Regie: Katharina Kummer
Puppe: Ulrike Langenbein
Bühne: Katharina Kummer, Julia Bosch
Kostüme: Julia Bosch
Mit:
Luisa Grüning
Hendrika Ruthenberg
ABOUT:
Ein Monolog, den Regisseurin Katharina Kummer dreifach aufgeteilt hat: „Wir erleben eine dreifache Gestalt, die einen Monolog verkörpert“, erklärt sie im Gespräch mit unserer Zei- tung. Und damit erlebt der Zuschauer „unterschiedliche Positionen der Figur, die die Stim- me dieses Monologs ist.“ Zu sehen sind die beiden Puppenspielerinnen und ein Fantasiewesen, das das Haupt eines Rehes auf einem menschlichen Körper trägt. Kummer nennt es einen „Mädchenminotaurus“: Auf die Idee kam sie, weil „Erst war es leer...“ in London spielt. Ebendort hatten 1885 Zeitungsartikel unter dem Titel „The Maiden Tribute of Modern Babylon“ mit Berichten über den massenhaften Missbrauch besitzloser Mädchen für einen Skandal gesorgt. Und darüber hinaus in Anlehnung an die Antike die Mär eines Minotaurus von London genährt, der im Labyrinth der Unterwelt sein Unwesen treibt. Diesem Wesen wollte Kummer eine fragile, weibliche Version entgegenstellen.
Beide Darstellerinnen spielen diese Puppe, teils auch, wie es Kummer formuliert, „im Kampf, den sie über die Puppe oder direkt austragen“ im „Schlachtfeld der Widersprüche“, das die Figur der Dijana umgibt. Und drei Positionen wird auch das Publikum auf der Bühne 2 einnehmen, um dem Geschehen zu folgen, mit dem Kummer eine „größtmögliche Polyphonie“ aus einer einzelnen Figur entwickeln will.
Rhein Zeitung, September 2019, Claus Ambrosius
VOICE:
Regisseurin Kummer zeigt sich in diesem Stück von einer anderen Seite. Mit „Mirjam & Myriam oder: Sieh dich vor, im Traum eines kleinen Mädchens gefangen zu sein” schüttete sie in der vergangenen Spielzeit noch eine Reizflut über dem Publikum aus, um den Begriff Mädchen rasant und sich in Doppeldeutigkeiten überschlagend zu dekonstruieren. Nun wird sie leiser. Und dabei unheimlich stark.
Das Schicksal Dijanas fängt sie als ruhiges, dabei stets kraftvolles Porträt ein, arbeitet seelische Brüche und verschiedene Stimmen heraus, die im Inneren dieser Figur streiten. Auch das Publikum schickt sie auf die Reise durch den Raum, um Blickwinkel auf das Geschehen zu erweitern und so zu klären, wie es soweit kommen konnte. Das fesselt, weil es aus der anteilnahmslosen Haltung eines Beisitzers befreit.
(…)
Die Not Dijanas macht Kummer vielschichtig sichtbar: Im Zentrum steht die von Puppenbauerin Ulrike Langheim entworfene Figur, die eine Art Mädchen-Minotaurus ist – halb Reh, halb Mensch. Wie der Minotaurus in der griechischen Mythologie wird auch diese Figur in einem Labyrinth als Gefängnis festgehalten. Die Wirkung gewaltig, wenn sich die großen Rehaugen direkt auf den Zuschauer heften und mit einem dezenten Kopfschütteln so viel Arglosigkeit und Unschuld anfassbar wird.
Rhein Zeitung, September 2019, Melanie Schröder