wir werden alle unsre mütter
Text/Regie: Katharina Kummer
Ausstattung: Sabrina Krämer, Angela Baumgart
Musik: Karl Philipp Kummer
Assistenz: Britta Tränkler
Uraufführung am Puppentheater Halle, 27.2.2014
Photos: Peter Degen
mit:
Ursula Werner
Mirjam Schollmeyer
Natascha Mamier
Lars Frank
Sebastian Fortak
VOICES:
Mit der Uraufführung von „wir werden alle unsre mütter“ wagt sich Katharina Kummer unpathetisch an eine zeitlose Thematik heran. Keine personalisierbare Mutterfigur steht im Focus der theatralen Verarbeitung, sondern die Regisseurin und Autorin seziert den Komplex „Mutter“ in einzelnen Diskursfeldern, um in Einzelszenen die politischen Dimensionen, wie Reproduktion tradierter Bilder, Heteronormativität, Biologismus, Feminismus, durchzuspielen. Kummers theatrale Auseinandersetzung mit diesen Themata ist gleichsam sinnliche und publikumswirksame Erforschung, wie Sprengung festgefügter Diskursparadigmen. Themen wie Mutter / Mutterschaft / Reproduktion kann Mensch sich nicht entziehen und Kummers Inszenierung beglaubigt dies mit einem außergewöhnlich vielseitigen Narrativ. Die Regisseurin recherchierte grundlegend zum Thema. Ihre Quelle, ihr Material, sind die Gegenwart lebender Menschen. Somit gewonnene „story tellings“ verarbeitet zu Figuren und Dialogtexten bilden die haltbare Verbindung der Theateraufführung zur Gegenwart und Zeitgenossenschaft der Zuschauer. Diese Gegenwart/Wirklichkeit wenn auch „nur“ auf einer Bühne hör- und sichtbar gemacht reflektiert und bricht nachhaltig und mit großer Wucht tradierte Denkmodelle. Und was hier als das vielleicht Wichtigste erscheint, die Inszenierung, ihre Inhalte und Gehalte, weisen über eine/unsere Gegenwart/Wirklichkeit hinaus.
Holger Kuhla, Dramaturg (Maxim Gorki Theater)
In „wir werden alle unsre mütter“ lässt sie Schauspieler und Puppe gemeinsam auftreten. Als abstrakter Schauspieler schleicht sich Puppe Agnieszka schnell ins Zentrum der Aufmerksamkeit, beginnt über Erinnerungen und Träume zu reflektieren. Nach ihrer Mutter gefragt, pariert sie: „Meine Mutter ist tot, darf ich mir eine entwerfen?“ Und so entspinnt sich ein Hin und Her zwischen Wunschvorstellungen und der Erinnerung. „Wie in kollektiven Déjà-vus werden die Figuren immer wieder von den Geschichten überfallen“, sagt Kummer. „Der Text bildet ein kaleidoskopartiges Bezugssystem von individuellem und kollektivem Gedächtnis. (…) Der „semiotische Overkill“ bestehe hier darin, bekannte Zeichen neu zusammenzusetzen, dabei das Detail ins Monströse zu steigern, um schließlich die Grenzen bisheriger Deutungen zu sprengen.
Theater der Zeit - Lookout, September 2015, Thomas Schmotz
QUOTE:
Prolog
Meine Mutter sprach:
Mein Körper war alles, was ich hatte.
Aaaa ich weiß nicht, was Sprache ist.
Eins eins eins eins ich werde nie zählen lernen.
Frau P.:
es gibt so ne art von unterbau zum theater
also da kommen irgendwie....
da wird so das spektakel irgendwie so vorbereitet...
im nicht-sichtbaren bereich...
oder hinter dem...
also was nicht so auf der bühne ist....
und da kommt dann so -
dieser trick! dieser trick dass da irgendwie was auftritt und abtritt und wie das da irgendwie...
das ist eigentlich das theater!
und diese form des tricks ist glaub ich das, was in der form ne fälschung ist.
wenn jemand auf die bühne kommt.
...plötzlich verschwindet jemand.
es wird wirklich auf der bühne gearbeitet mt so ner falltür wo dann jemand plötzlich so...
also die dämonen praktisch
die kommen auf die bühne
oder gehen wieder von der bühne
also diese form von falltüren...
oder eintritt- auftrittsmöglichkeiten auf die bühne
eine plötzliche existenz
ne auftretende existenz...
es ist die frage, wie das untergründige
oder das in dem sinne normalerweise nicht sichtbare
oder das in dem sich alles vermischt,
in dem sich etwas noch nicht in der form artikuliert als figur, sondern als strom oder als stromartigkeit existiert
oder auch als
...
ja, wie das zum beispiel in die ordnung eingeschrieben wird, in die gesellschaftliche ordnung
oder in diese erzählerische ordnung eingeschrieben wird
wie das passieren kann.